Lebhafte Debatte im „Mibrag-Reich“
Revierdialog über Strukturwandel
Es gab deutlich unterschiedliche Positionen an diesem Abend in Reuden. Doch in einer Sache waren wohl alle einig: dieser wirtschaftspolitische Dialog über den bevorstehenden Strukturwandel ist richtig und er ist wichtig.
Wirtschaftsminister Jörg Felgner (SPD) hatte gestern (10. August) nach Reuden geladen und der Saal war voll. Kaum ein Redner, der ausließ sein Wohlgefallen über das Forum zu äußern. Diese Debatte hier mitten im Revier zu führen ist vor allem deshalb mutig, weil Felgner wissen musste hier kaum Rückenwind für das bekommen, was die KENIA-Koalition beschlossen hatte (siehe Seitenspalte).
Braunkohleland im Wandel
Der Wirtschaftsminister in seinem Eingangsstatement:
„Auch wenn noch Zeit ist, der Strukturwandel wird an dieser Region nicht vorbeigehen. Um diesen Wandel so wirtschaftsfreundlich wie möglich zu gestalten will ich den Dialog darüber so früh wie möglich beginnen.“
Das fand Zustimmung und Widerspruch zugleich. Mibrag Vorstandschef Armin Eichholz begrüßte den Dialog grundsätzlich, widerspach jedoch der Einschätzung des zeitlichen Rahmens.
„Strukturwandel ist für uns in der Braunkohle eine Daueraufgabe, weil er längst im Gang ist (...) „Was wir hier nicht brauchen ist ein Strukturbruch.
Weil es weder ein betriebswirtschliches noch ein technisches Konzept zur Sicherung der Energiegrundversorgung für die Zeit nach der Braunkohle gibt, ist eine Terminierung des Ausstiegs auch nicht sinnvoll."
Noch deutlicher wurde Landrat Götz Ulrich.
„Es gibt auf Bundesebene weder ein Klimaschutzgesetz noch einen Klimaschutzplan, der zu einer zeitlichen Festlegung des Braunkohleausstiegs zwingt. Ich kann nicht nachvollziehen, mit welcher Motivation ausgerechnet unser Bundesland unbedingt und ohne Not am Bund vorbeiziehen will.“
Unaufgeregt und bestimmt brachte der Landrat des Burgenlandkreises Argumente für den breiten Konsens pro Braunkohle vor. Im „Mibrag-Reich“, wie Moderator Theo Lies es nannte, seien Versorgungssicherheit, marktfähige Preise, Arbeitsplätze und Investitionen sowie das regionale Engagement der Mibrag das Rückgrat für diesen Konsens.
Wandel braucht Engagement und Vertrauen
Viel Beifall fand in der Debatte eine Forderung von Prof. Dr. Thomas Brockmeier, Hauptgeschäftsführer der IHK Halle-Dessau. Auf die Bemerkung des Wirtschaftsministers man müsse politische Entscheidungen ohne wirtschaftliche Unterlegung ertragen können reagierte Brockmeier so:
„Wenn das so ist, sollten wir hin und wieder aber auch politische Entscheidungen mit wirtschaftlicher Unterlegung anstreben dürfen,“....„Ich wünschte mir, es würde bei der Lösungssuche in der Ablösung der Braunkohle als Energieträger nur die Hälfte des Elans investiert, der für regenerative Energien aufgebracht wurde.“
Sozusagen mit dem „Blick vom Ende der Nahrungskette“ her argumentierten Bürgermeister der Region. Als Vertreter der Grünen im Land zu erneuerbaren Energien sprachen warf der Teucherner Bürgermeister Frank Puschendorf ein er käme aus der „Hauptstadt der Windräder“ und sagte
„….von diesen Windparks hat meine Stadt nichts, keine Einnahmen, weil sie woanders produziert und gewartetet werden keine Arbeitsplätze – nur den Ärger mit Bürger*innen, den habe ich.“
Statt nur den Blick auf die Kosten mahnte Reudens Bürgermeister Lothar Stahl den Blick auf die Folgen an, damit es nicht so laufe wie an den Schulen, wo „die Kinder auf Grund politischer Entscheidungen so lange weniger werden bis am Ende die Lehrer zu teuer sind.“
Dass solche Prozesse des Wandels sehr viel mit Vertrauen zu tun hätten begründete Hohenmölsens Bürgermeister Andy Haugk:
„Warum die vielen Menschen, die wegen der Braunkohle umsiedelten, erfolgreich umgesiedelt werden konnten? – weil sie Vertrauen hatten. Vertrauen in die Mibrag, Vertrauen darin, dass ihre Bereitschaft zur Umsiedlung langfristig Arbeitsplatzsicherung sichern würden.“
Er mahnte an, dieses Vertrauen nicht zu riskieren.
Versuch eines Fazit
Unter dem Strich, gemessen auch an der Brisanz dieses Themas mitten im Revier war dieser Abend geprägt von einer fairen Diskussion.
Wirtschaftsminister Jörg Felgner sieht sich bestätigt in der Überzeugung und seiner festen Absicht „diesen Strukturwandel Seite an Seite mit der Wirtschaft, im Dialog mit den Kommunen zu begleiten.“ Es sei ganz klar, dass beim Thema Braunkohle das Land im selben Boot säße. Deshalb werde sein Ministerium über diese Region hinaus die anderen ostdeutschen Länder mit einbeziehen.
In vielen Gesprächen unmittelbar nach der Diskussionsrunde wurde deutlich, den Meisten ist die Endlichkeit der thermischen Verwertung von Braunkohle bewusst. Es kommt auf das Wann und auf das Wie an. Ein von vornherein starres Festhalten an dem im Koalitionsvertrag fixierten Zeitpunkt (Auskohlung TB Profen) wird für falsch gehalten.
Durchweg auf positive Resonanz traf die Art und Weise des Wirtschaftsministers, sich den Problemen zu stellen. Der nahm sich auch nach der offiziellen Dialogrunde viel Zeit für Gespräche.